Der im deutschen Sprachgebrauch eingebürgerte Name „Kastanienminiermotte“ ist irreführend, da sich C. ohridella nicht auf der Edelkastanie, Castanea sativa L., entwickeln kann. Vielmehr ist die wichtigste Wirtspflanze der Kastanienminiermotte die weißblühende Rosskastanie, Aesculus hippocastanum L. Diese Baumart ist in unseren Breiten selbst nicht heimisch, erfreut sie sich aber wegen ihrer prächtigen Blüte im Frühjahr größter Beliebtheit. Allgemein wird vermutet, dass die ersten Rosskastanien durch den Hofbotaniker Carolus Clusius gegen Ende des 16. Jahrhunderts aus dem damaligen Osmanischen Reich nach Österreich gelangten. Heute zählt die Art zu den wichtigsten Park- und Alleebäumen in Mitteleuropa, einer vorsichtigen Schätzung nach stehen allein in Wien ca. 30.000 weißblühende Rosskastanien.
Es gibt begründete Zweifel daran, ob A. hippocastanum tatsächlich auch die ursprüngliche Wirtspflanze der Kastanienminiermotte ist. So ist z. B. verwunderlich, dass sich der kleine Schmetterling erst in den vergangenen 20 – 30 Jahren über Europa ausgebreitet hat, obwohl seine Wirtspflanze bereits seit mehr als 300 Jahren weit verbreitet ist. Ebenso auffällig ist der bereits Jahrzehnte andauernde Massenbefall der Rosskastanien. Diese epidemischen Populationsdichten der Miniermotte deuten eher auf eine erst in jüngster Zeit erschlossene Nahrungsressource hin und nicht auf ein in evolutionären Zeiträumen eingespieltes trophisches Verhältnis zwischen Pflanze und Pflanzenfresser. Klarheit über die ursprüngliche Wirtspflanze der Kastanienminiermotte wird es jedenfalls erst dann geben, wenn ihre geographische Herkunft geklärt worden ist (siehe Verbreitung).
Neben der weißblühenden Rosskastanie wurde auch auf anderen Rosskastanienarten geringer Befall durch C. ohridella festgestellt, beispielsweise auf der in Europa ebenfalls oft gepflanzten Aesculus x carnea, einer rotblühenden Hybride aus der gemeinen Rosskastanie und der amerikanischen roten Pavie (Aesculus pavia L.). Die Mortalität der Miniermotten ist auf diesen Wirtspflanzen jedoch sehr hoch, was sowohl auf mechanische Barrieren als auch auf toxische Blattinhaltsstoffe zurückzuführen sein dürfte. Von den ca. 20 weltweit bekannten Rosskastanienarten dürften die meisten amerikanischen Arten weitgehend resistent gegen den Befall durch C. ohridella sein, während manche Arten aus der „alten Welt“ als Wirtspflanzen geeignet erscheinen. Außer auf Rosskastanien wurde eine Entwicklung der Kastanienminiermotte auch schon auf Ahorn-Arten beobachtet, bis dato handelt es sich bei diesen Beobachtungen jedoch um vereinzelte Ausnahmefälle.
Verbreitung
Das erste Auftreten der Kastanienminiermotte war ziemlich unspektakulär und wurde in seiner Bedeutung anfangs unterschätzt. Vermutlich trat die Miniermotte an künstlich angelegten Rosskastanienbeständen in der Region rund um den Ohridsee (Mazedonien) in den frühen 70er Jahren zum ersten Mal auf. Dass es sich dabei um ein bis dato unbeschriebenes Insekt handelt, erkannten Simova-Tošić und Filev (1985). Fälschlicherweise wird das Erscheinungsjahr dieser Publikation bzw. das Untersuchungsjahr 1984 als Erstauftreten der Kastanienminiermotte genannt. Die (in Serbokroatisch verfasste) Publikation weist jedoch darauf hin, dass lokalen Beobachtern das Schadbild bereits seit 10 Jahren aufgefallen war.
In den Blickpunkt der Öffentlichkeit gelangte die Kastanienminiermotte jedoch erst durch ihre Verschleppung nach Mitteleuropa. Im Herbst 1989 wurden vereinzelte Minen der Kastanienminiermotte im Raum Linz gefunden. Bereits 1990/91 konnte dort eine Massenvermehrung festgestellt werden, 1992 entdeckte man die Motte im Raum St. Pölten.
Seitdem hat sich der Schädling explosionsartig über ganz Österreich ausgebreitet. Ausgehend von diesem zweiten Befallsherd in Österreich verbreitete sich die Kastanienminiermotte vor allem nach Nordwesten, aber auch in die östlichen und südlichen Nachbarländer. Zusätzlich expandierte auch die Population vom Entdeckungsgebiet in Mazedonien ihr Areal in die übrigen Balkanländer und nach Osteuropa.
Die beiden Expansionswellen trafen in Südungarn, Slowenien, den südlichen Bundesländern Österreichs und in Südtirol aufeinander. Mittlerweile kommt die Kastanienminiermotte in ganz Europa vor, von Griechenland, der dalmatinischen Küste, Norditalien und Südfrankreich im Süden bis Südskandinavien, Norddeutschland, Dänemark, den Beneluxstaaten und England im Norden. Die derzeitige westliche Ausbreitungsgrenze liegt in Frankreich und Spanien, die östlichsten Meldungen stammen aus der Ukraine.
Die Herkunft der Kastanienminiermotte konnte trotz jahrelanger, weltweiter Suche noch nicht geklärt werden. Derzeit werden verschiedene Möglichkeiten in Betracht gezogen. Die wahrscheinlichste davon ist, dass die Motte aus dem ostasiatischen Raum eingeschleppt wurde, wo es nahe verwandte der Miniermotten gibt. Möglicherweise entwickelt sich der kleine Minierer dort auf einer anderen Wirtspflanze, vielleicht auf einem anderen Laubbaum aus der Verwandtschaft der Ahornartigen.
In ihrem ursprünglichen Habitat könnten die Populationsdichten der Miniermotte so niedrig sein, dass sie bis jetzt noch niemandem aufgefallen ist. Es ist auch möglich, dass die Kastanienminiermotte gar nicht eingeschleppt wurde, sondern tatsächlich aus dem Balkan oder aus einem angrenzenden kleinasiatischen Ursprungsgebiet stammt. In diesem Fall wäre es sehr wahrscheinlich, dass die rasante Ausbreitung in Europa erst nach einem in den vergangenen Jahrzehnten vollzogenen Wirtspflanzenwechsel stattgefunden hat.