Die Enzootische Rinderleukose wird durch das Bovine Leukose Virus (BLV), das der Familie der Retroviridae, Unterfamilie Orthoretroviridae und dem Genus Deltaretrovius zugehörig ist, verursacht. Somit handelt es sich um behülltes, 80-100 nm großes RNA-Virus. Wie einige andere Viren aus der Familie der Retroviridae ist auch BLV onkogen und wird somit zu den Onkornaviren gezählt. B-Lymphozyten sind die Zielzellen des Virus. BLV ist mit Ausnahme von Europa, Australien und Neuseeland weltweit verbreitet. Das Krankheitsbild der bovinen Leukose wurde bereits im späten 19. Jahrhundert beschrieben, die Identifikation des Erregers gelang jedoch erst im Jahr 1969.
Differentialdiagnostisch kommen die Sporadische Leukose sowie multifokale Lymphome noch unbekannter Genese in Frage.
Übertragung
Die Übertragung erfolgt größtenteils horizontal durch infizierte Lymphozyten z. B. iatrogen bei chirurgischen Eingriffen oder Herdenimpfungen. Die Weitergabe des Virus von Tier zu Tier geschieht durch engen Kontakt. Weniger häufig kommt es in utero zu einer Transmission des Virus. Blutsaugende Insekten können als Vektoren dienen. BLV-infizierte Zellen werden auch mit dem Kolostrum und der Milch ausgeschieden. Die Infektion von Kälbern auf diesem Weg ist jedoch von geringer Bedeutung.
Bei Rindern, Wasserbüffeln und Wasserschweinen kommt es auf natürlichem Weg zu Infektionen mit dem BLV. Nach experimentellen Infektionen können Schafe klinische Symptome der tumorösen Verlaufsform entwickeln. Weitere Tierarten wie Hirsche, Ziegen, Schweine, Büffel, Kaninchen, Katzen und Hunde reagierten auf eine experimentelle Infektion mit der Produktion von Antikörpern.
Symptomatik
Die meisten Infektionen mit BLV verlaufen subklinisch. 30-70 % der infizierten Rinder entwickeln nach einer Inkubationszeit von 6 Monaten bis 3 Jahren eine persistierende Lymphozytose, die durch einen Anstieg der zirkulierenden B-Lymphozyten um bis zu 80 % gekennzeichnet ist. Bei 0,1-10 % aller infizierten Tiere oder 10-30 % der Rinder mit persistierender Lymphozytose kommt es, nach oft jahrelang andauernder Präleukose, zur Tumorbildung (Lymphosarkom). Daraus ergeben sich drei klinische Verlaufsformen der Krankheit:
- Klinisch inapparente Infektion
- Persistierende Lymphozytose (Präleukose)
- Tumoröse Form: führt zum Tod des Tieres
Die klinischen Symptome sind stark von der Lokalisation der Tumore abhängig und daher vielfältig.
Es kann zur Ausbildung folgender unspezifischer Symptome kommen:
- Gewichtsverlust, Inappetenz
- Vergrößerung der Lymphknoten
- Folgeerscheinungen der Tumorbildung: Atemnot, Schluckbeschwerden, Exophthalmus, Lahmheit, Tympanie
- Allgemeine Schwäche
- Verdauungsstörungen
- Rückgang der Milchleistung
- Fieber
- Neurologische Manifestation mit entsprechender Symptomatik
Klinisch inapparent infizierte Tiere bilden das Erregerreservoir von BLV und sind eine Gefahr im Hinblick auf die Übertragung der Krankheit, da sie lebenslang als potentielle Virusausscheider angesehen werden müssen. Die lange Inkubationszeit sowie der langsame Krankheitsverlauf sind begünstigende Faktoren für die Aufrechterhaltung der Infektion in einer Rinderherde. Des Weiteren kommt es in Herden mit klinisch inapparenten BLV-Infektionen zu wirtschaftlichen Verlusten, die durch den Rückgang der Milchleistung, verminderte Konzeptionsraten und unterschiedliche Sekundärinfektionen bedingt werden.
Mit zunehmendem Alter steigt die Häufigkeit der Tumorbildung. Zudem haben einige Rinderrassen eine genetische Disposition für die Enzootische Rinderleukose. So erkranken Rinder der Rasse Holstein-Friesian statistisch signifikant häufiger an der Tumorösen Verlaufsform als Braun- oder Fleckvieh.
Bekämpfung/Prävention
Die Enzootische Rinderleukose ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. Die Überwachung erfolgt in Österreich gemäß der Rindergesundheits-Überwachungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 334/2013, die auf dem Tiergesundheitsgesetz (TGG), BGBl. I Nr. 133/1999 i.d.F. basiert. Die Überwachung ist auf EU-Ebene durch die Vorgaben der Richtlinie 64/432/EWG verankert. Es werden nach einem risikobasierten Stichprobenplan Proben gezogen und untersucht. Sämtliche Reagenten sind auf Grund der genannten Vorgaben innerhalb der Ausmerzfrist an Schlachtbetriebe zur Schlachtung abzugeben.
Österreich ist seit 1999 amtlich anerkannt frei von der Enzootischen Rinderleukose.
Impfung
Eine Schutzimpfung gegen Enzootische Rinderleukose ist in Österreich verboten. Bis dato gibt es auch keinen zugelassenen Impfstoff.