Die Umwelt ist in Österreich nur gering mit nptII Antibiotikaresistenzgenen belastet. Zu diesem Schluss gelangt eine von der AGES in den Jahren 2010 bis 2012 durchgeführte Studie zur Hintergrundprävalenz von nptII Antibiotikaresistenzgenen in Mais- und Kartoffelfeldern, Futtermitteln und bakteriellen Krankheitserregern in Österreich. Die untersuchten bakteriellen Lebensräume sind demnach nicht mit nptII Genen überladen.
Von außen eingebrachte Kontaminationen sind daher höchstwahrscheinlich von Relevanz. Das bedeutet, dass eine langfristige und konstante Exposition dieser Lebensräume mit nptII codierender DNA, wie zum Beispiel durch Antibiotikaresistenz-Markergene aus gentechnisch veränderten Pflanzen, die Häufigkeit dieser Resistenzgene in diesen Ökosystemen erhöhen könnte.
Eine Erhöhung der Häufigkeit dieser Resistenzgene kann – falls sie auf pathogene Keime übertragen werden – unter Umständen zu Therapieversagen bei der Behandlung von Infektionserkrankungen führen.
Studie: Frequency of Environmental Antibiotic Resistance (FEAR)
Die Ergebnisse im Detail
In der vorliegenden Studie wurde das natürliche Vorkommen von zwei Antibiotikaresistenzmarkergenen - Neomycinphosphotransferase II und Neomycinphospho-transferase III – in bakteriellen Krankheitserregern aus der Klinik, im Boden und in Futtermitteln bestimmt. Überdies wurde das Potential von nptII zur Bildung von Mosaikgenen, welche die Grundlage für neue Antibiotikaresistenzen bilden könnten, analysiert und ein Computermodell ausgearbeitet, mit dem die Auswirkungen eines Resistenzgentransfers aus gentechnisch veränderten Pflanzen auf Bodenbakterien simuliert wird.
Die österreichweit repräsentativ gesammelten Krankenhauskeime Escherichia coli, Enterococcus faecalis, Enterococcus faecium, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Salmonella enterica subsp. enterica erwiesen sich als nahezu völlig frei von nptII Resistenzgenen.
Von mehr als 10.400 untersuchten Isolaten konnte nur ein einziger Salmonellenstamm als Träger von nptII identifiziert werden, was einer nptII Häufigkeit von 0,0096 % entspricht. Alle anderen Isolate waren nptII negativ. Im Gegensatz dazu waren nptIII Gene mit einer Häufigkeit von 1,62 % in diesem Kollektiv deutlich öfter anzutreffen. Die Ergebnisse zeigen, dass in den österreichweit zirkulierenden bakteriellen Krankheitserregern mit hoher Wahrscheinlichkeit nur wenige das nptII Resistenzgen tragen. Dieses System ist somit empfänglich für einen externen Eintrag von nptII Resistenzgenen.
Dieselbe Untersuchung wurde mit 100 Bodenmischproben aus 50 Mais- und 50 Kartoffelfeldern durchgeführt. Sechs Felder waren mit einer durchschnittlichen Kopienanzahl von 340 pro Gramm Boden nptII positiv; nptIII konnte hingegen in 85 % der Bodenproben nachgewiesen werden (bis zu 61.600 Genkopien/g Boden). Die Untersuchung von 396 kanamycinresistenten Bodenbakterienisolaten ergab keinen Träger für nptII, aber 1,8 % davon waren nptIII positiv.
Damit ist – wie auch bei den humanpathogenen Keimen und im Vergleich zu nptIII - die natürliche Hintergrundbelastung von Bodenbakterien mit nptII Resistenzgenen in Mais- und Kartoffelfelder als gering einzustufen. Ein künstlicher, externer Eintrag von nptII Resistenzgenen in diese landwirtschaftlich genutzten Ökosysteme dürfte somit also relevant sein. Es wird speziell darauf hingewiesen, dass die durchgeführten Bodenprobenanalysen der bis dato umfangreichste Ansatz zur Erhebung derartiger Daten war.
Bei der Untersuchung von Mais- und Kartoffelproben als Vertreter für pflanzliche Futtermittel konnte keine von 42 Proben (= Gesamt-DNA-Extrakte) positiv auf nptII oder nptIII getestet werden. Bei der Testung der aus den Proben gewonnenen kanamycinresistenten Bakterienisolate wurde ein einzelnes als nptII Träger identifiziert. Obwohl im Vergleich zur Bodenprobenuntersuchung eine geringere Sampleanzahl analysiert wurde, erlauben auch diese Daten den Schluss, dass Futtermittel wahrscheinlich nur gering mit nptII Genen belastet sind. Eine zusätzliche Exposition mit externer nptII codierender DNA könnte somit auch bei pflanzenassoziierten Bakterienpopulationen zu einer Veränderung der nptII Frequenz führen.
Zur Abschätzung einer möglichen Beteiligung von nptII an der Bildung von Mosaikgenen, die neue Antibiotikaresistenzen vermitteln könnten, wurden Sequenzdatenbanken analysiert und Transformationsexperimente im Labor durchgeführt. Die in silico Analyse erlaubt nicht den Schluss auf eine Beteiligung von nptII an der Bildung von Mosaikgenen mit anderen Aminoglycosidphosphotransferasegenen. Die durchgeführten praktischen Experimente ergaben initial Hinweise darauf, dass eine Rekombination zwischen nptII codierende DNA und ausgewählten Aminoglycosidphosphotransferasegenen in Bakterien nach natürlicher genetischer Transformation stattgefunden habe. Diese Ergebnisse konnten via Sequenzierung nicht bestätigt werden.
Das Computer-Modell zur Simulation des horizontalen Gentransfers von aus Pflanzen freigesetzten Antibiotikaresistenzgenen auf die Bakteriengemeinschaften im Boden bestätigt, dass die Fixierung eines neu eingebrachten Gens ein langfristiger Prozess ist, welcher extrem vom Selektionsdruck im jeweiligen Habitat abhängt. Aktuelle Literaturdaten deuten darauf hin, dass bereits geringste Antibiotikamengen, die um das Hundertfache unter den therapeutisch wirksamen, bakteriziden Konzentrationen liegen, effektiv resistente Bakterien selektieren. Diese niedrigen, in natürlicher Umgebung auch im Boden zu findenden Antibiotikakonzentrationen dürften zentral wichtig für die Anreicherung und den Erhalt von Resistenzen in Bakterienpopulationen sein.
Die ermittelten Ergebnisse belegen, dass in Österreich relevante bakterielle Lebensräume kaum mit nptII Resistenzgenen belastet sind. Ein kontinuierlicher exogener Eintrag von nptII codierender DNA aus transgenen Pflanzen würde eine potentielle Kontaminationsquelle für derartige Resistenzgene darstellen. Anhand der ermittelten Computersimulationsdaten zum horizontalen Gentransfer und des Nachweises, dass bereits ein geringer Selektionsdruck zur Fixierung eines Erbmerkmals führt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die permanente Präsenz transgener DNA im System nicht zu einer Erhöhung der nptII Frequenz in den betroffenen Bakterienpopulationen führt. Daher ist die Etablierung einer derartigen nptII Kontaminationsquelle in Österreich als unvorteilhaft einzustufen.