Verpackungen dienen nicht nur dem Schutz des Lebensmittels, sie sind auch Informations- und Werbeträger. Jede Verpackung ist bedruckt mit wichtigen Kennzeichnungselementen und häufig auch mit bunten Bildern, die zum Kauf animieren sollen. Obwohl nur die Außenseite bedruckt ist, werden immer wieder Druckfarbenbestandteile im Lebensmittel nachgewiesen.
Es handelt sich dabei nicht um die Farben als solche, sondern bestimmte Bestandteile der Farbrezepturen, die eine technische Verarbeitung der Farbe erst ermöglichen. Im Wesentlichen sind es zwei Substanzgruppen, die kritischer zu betrachten sind: zum einen die Gruppe der Photoinitiatoren, die bei UV-härtenden Druckfarben benötigt werden (wie z. B. ITX und Benzophenone) und zum anderen die Mineralöle, welche auch als Lösungsmittel von Farben verwendet werden.
Wie kommen Druckfarbenbestandteile in das Lebensmittel?
Es gibt zwei Eintragspfade in das Lebensmittel: Bei der Migration gehen Stoffe aufgrund ihrer Löslichkeit aus dem Material in das Lebensmittel über. Beim Abklatsch oder Set off kommt entweder durch Aufrollen oder Stapeln die nicht vollständig ausgehärtete, bedruckte Außenseite mit der das Lebensmittel kontaktierenden Innenseite in Kontakt. Photoinitiatoren gelangen auf beiden beschriebenen Wegen ins Lebensmittel. Bei Mineralölen handelt es sich in erster Linie um einen Migrationsvorgang.
Wie kann eine Verunreinigung des Lebensmittels durch Photoinitiatoren verhindert werden?
Bei einer vollständigen UV-Härtung werden die Photoinitiatoren derart fixiert, dass ein Set off verhindert wird. Die Migration kann durch das entsprechende Verpackungsdesign vermieden werden, wobei zum Beispiel der Einbau einer sogenannten „Barriere“ (Sperrschicht) in das Verpackungsmaterial sehr effektiv ist. Die in diesem Zusammenhang erforderliche Prozesskontrolle und Eigenuntersuchung sind wesentlicher Bestandteil einer guten Herstellungspraxis eines Unternehmens, die auch gesetzlich gefordert wird.
Wie kann eine Verunreinigung des Lebensmittels durch Mineralöle verhindert werden?
Für Lebensmittelverpackungen sollten im Sinne der guten Herstellungspraxis ausschließlich mineralölfreie Druckfarben verwendet werden. Da allerdings eine wesentliche Quelle von Mineralölverunreinigungen die Recyclingkartons aus bedrucktem Zeitungspapier darstellen, sollten auch die im Zeitungsdruck verwendeten Druckfarben auf mineralölfrei umgestellt werden. Dies ist zwar möglich, jedoch noch nicht gängige Praxis. Da der Papierreyclingprozess kaum zu optimieren ist, muss das Lebensmittel durch geeignete Maßnahmen vor eintretender Verunreinigung geschützt werden (siehe Punkt: Vermeidungsstrategie der CODEX Kommission).
Eine weitere Vermeidungsstrategie ist die Verwendung ausschließlich mineralölfreier Arbeits- und Hilfsstoffe (Trennmittel, Schmiermittel, Maschinenöle etc.) bei der Herstellung von Lebensmitteln. Weitere Eintragsmöglichkeit von Mineralöl in Lebensmitteln ist neben Recyclingkartons beispielsweise auch durch mit so genannten Patchingoils behandelten Jutesäcke (Transport von Kaffee, Kakao etc.) gegeben.
Gibt es gesetzliche Regelungen für Druckfarben?
Weiters finden sich speziell für Druckfarben ausführliche Regeln für die gute Herstellungspraxis in der Verordnung (EG) Nr. 2023/2006. Hier wird festgelegt, dass Druckfarben (auf der vom Lebensmittel abgewandten Seite) nicht durch das Trägermaterial hindurch oder infolge eines Abklatsches im Stapel oder Rollenwickel in Konzentrationen übergehen dürfen, die nicht im Einklang mit Art. 3 (EG) 1935/2004 (siehe oben) stehen. Dies gilt sinngemäß für die damit bedruckten Materialien und Gegenstände. Die bedruckten Flächen dürfen auch nicht direkt mit Lebensmitteln in Berührung kommen.
Eine europäische Positivliste, wie beispielsweise die Unionsliste in der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 für Kunststoffe, gibt es für Druckfarbenkomponenten nicht. Einige Photoinitiatoren wie beispielsweise Benzophenon sind aber auch in der Verordnung (EU) Nr. 10/2011 mit einem spezifischen Migrationsgrenzwert gelistet und somit von der EFSA toxikologisch bewertet.
Druckfarben, die für Printmedien verwendet werden, unterliegen den oben genannten Bestimmungen nicht. Der Lebensmittelkontakt ist in der Phase der ursprünglichen Verwendung gar nicht beabsichtigt und ergibt sich erst, wenn überhaupt, nach dem Altpapierrecycling. Auch über diese Schiene erfolgt ein bedeutender Mineralöleintrag. Auf die Verwendung von Recyclingpapier kann aber zur Ressourcenschonung aus Umweltaspekten auch im Lebensmittelbereich nicht verzichtet werden.
Besteht für die VerbraucherInnen ein Gesundheitsrisiko?
Ein mögliches Gesundheitsrisiko wird durch eine sogenannte Risikobewertung beurteilt. Diese beruht auf der Kenntnis der Art und Menge des Schadstoffes im Lebensmittel. Unter Berücksichtigung der toxikologischen Stoffdaten wie bspw. dem TDI (tolerable daily intake) und der Verzehrsgewohnheiten kann das Gesundheitsrisiko für einzelne Bevölkerungsgruppen (z. B. Kinder, Erwachsene) ermittelt werden.
Die in der AGES bisher durchgeführten Untersuchungen (siehe auch Aktivitäten in Österreich) zeigen keine gesundheitsrelevante Belastung der Lebensmittel durch Photoinitiatoren.
Die Beurteilung der Verunreinigung durch Mineralöle ist schwieriger, da es sich hierbei um ein Gemisch aus unzähligen, schwer auftrennbaren Stoffen mit unterschiedlichem Gefahrenpotenzial handelt und die Zusammensetzung noch nicht ausreichend charakterisiert werden kann. Der Focus bei der Entwicklung von Untersuchungsverfahren und der Risikobeurteilung liegt bei der Identifizierung von häufig krebserzeugenden polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffverbindungen (kurz MOAH - mineral oil aromatic hydrocarbons) und von kürzerkettigen gesättigten Kohlenwasserstoffen (kurz MOSH - mineral oil saturated hydrocarbons). Je kürzer die Kettenlänge der Kohlenwasserstoffe, desto größer ist das Risiko, dass sie im Körper eingelagert werden. Erschwerend für die gesundheitliche Beurteilung ist auch, dass für diese speziellen Gemische keine toxikologischen Studien vorliegen.
Mineralöl ist Hauptbestandteil von Kraftstoff, findet sich als Lösemittel in vielen technischen Produkten (auch im Bereich der Lebensmittelverarbeitung) und, wie schon beschrieben, auch in Druckerfarben und Printmedien und somit in jeder Zeitung, Illustrierten und Werbeschrift. Bei der Risikobewertung sind auch diese Eintragsquellen zu berücksichtigen.
Mineralöle in Lebensmitteln sind jedenfalls unerwünscht und der Eintrag über Verpackungsmaterialien bzw. Druckfarben ist zu vermeiden.
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat ein wissenschaftliches Gutachten zur lebensmittelbedingten Exposition des Menschen gegenüber sogenannten Mineralölkohlenwasserstoffen (Mineral Oil Hydrocarbons – MOH) veröffentlicht. Demnach sollte die Gesamtbelastung mit Mineralölkohlenwasserstoffen reduziert werden. Das Vorkommen von gesättigen Minaralölkohlenwasserstoffe MOSH und aromatischen Kohlenwasserstoffe MOAH in Lebensmitteln ist auch auf die Verwendung von Verpackungen aus Recyclingpapier zurückzuführen, aus denen die Substanzen auf die verpackten Lebensmittel übergehen können.
Aktivitäten in Europa
Eine europaweit harmonisierte Positivliste für Druckfarbenbestandteile, ähnlich der Unionsliste für Kunststoffe, ist zurzeit nicht zu erwarten.
In der Schweizer Bedarfsgegenständeverordnung (Verordnung des EDI über Bedarfsgegenstände) sind im Teil B - nicht evaluierte Stoffe - auch Druckfarbenbestandteile und Photoinitiatoren angeführt. Da diese Stoffe bisher keiner wissenschaftlichen Prüfung zur Bewertung des Übergangs unterlagen, dürfen sie entsprechend der Schweizer Verordnung nur verwendet werden, wenn ein Übergang ins Lebensmittel nicht stattfindet (Nachweisgrenze 10 μg/kg Lebensmittel).
In Deutschland arbeitet das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) an einer national verbindlichen Druckfarben- und einer sogenannten Mineralölverordnung.
Weiters zu erwähnen ist die Europarat Resolution ResAP(2005)2 on packaging inks und die aktuelle Überarbeitung einer Leitlinie für Papier und Pappe, in der auch intensiv auf die Thematik von Recyclingqualitäten eingegangen wird.
Der Verband der Druckfarbenindustrie (EuPIA) hat zum einen die EuPIA-Leitlinie „Druckfarben zur Verwendung auf der vom Lebensmittel abgewandten Oberfläche von Lebensmittelverpackungen und Gegenständen“ und zum anderen das Dokument „Gute Herstellungspraxis für die Produktion von Verpackungsdruckfarben zur Verwendung auf der vom Lebensmittel abgewandten Oberfläche von Lebensmittelverpackungen und Gegenstände“ erstellt. Die Leitlinie enthält auch eine Ausschlussliste für Druckfarben und zugehörige Produkte und wird regelmäßig aktualisiert.
Aktivitäten in Österreich
Das BMG hat vorwiegend über Schwerpunktaktionen die verstärkte Kontrolle von Lebensmitteln hinsichtlich Druckkomponenten und Mineralölen veranlasst. In den letzten Jahren wurden in der AGES im Rahmen solcher Aktionen gezielte Untersuchungen hinsichtlich der Verunreinigung von Lebensmittel mit Druckfarbenbestandteilen durchgeführt:
- Untersuchung von kartonverpackten Lebensmittel hinsichtlich der Migration von 4-Methylbenzophenon, 4-Hydroxybenzophenon und Benzophenon in Lebensmittel. Es wurden 31 kartonverpackte Lebensmittel hinsichtlich der Migration dieser Stoffe in das darin verpackte Lebensmittel überprüft. Die Proben wurden in den Bundesländern Wien und Niederösterreich gezogen. Es handelte sich um je 10 Cerealien- (z.B. Müsli, Müsliriegel), 11 Tiefkühlgemüse- und 10 Bonbonnieren/Pralinen- Produkte. Bei allen Proben lagen die Messwerte unter der Bestimmungsgrenze von 0,05 mg/kg Lebensmittel und somit klar unterhalb des spezifischen Migrationsgrenzwertes von 0,6 mg/kg Lebensmittel (durchgeführt 2009).Untersuchung von kartonverpackten Lebensmitteln hinsichtlich der Migration von 4-Methylbenzophenon, 4-Hydroxybenzophenon, 4-Phenylbenzophenon und Benzophenon in Lebensmittel. Diese Aktion umfasste alle Bundesländer, wobei 53 in buntbedruckten Kartons verpackte Lebensmittel (Cerealienprodukte und Tiefkühltorten/-kuchen) hinsichtlich der Migration der Photoinitiatoren untersucht wurden. Bei allen Proben lagen die Messwerte unter der Bestimmungsgrenze von 0,05 mg/kg Lebensmittel und somit unterhalt des spezifischen Migrationsgrenzwertes von 0,6 mg/kg Lebensmittel (durchgeführt 2010-2011).
- Zusätzlich wurde im Rahmen einer Masterarbeit an der AGES eine Methode entwickelt, welche insgesamt 22 Photoinitiatoren, davon 10 Benzophenone, umfasst. Mit dieser Methode wurden 21 Ceralien- und 24 Fruchtsaftproben sowie deren jeweilige Verpackungen untersucht. In allen Verpackungsmaterialien wurden wie nicht anders zu erwarten ist, Photoinitiatoren gefunden (2 bis 13 verschiedene Substanzen pro Probe). Zwar wurde auch in allen Lebensmittelproben mindestens ein Photoinitiator nachgewiesen, Benzophenon war jedoch die am häufigsten gefundene Substanz (in ca. 97% aller Proben). Dabei lagen die gefundenen Werte für Benzophenon alle (weit) unter dem spezifischen Migrationsgrenzwert von 0,6 mg/kg bzw. für die anderen Photoinitiatoren unterhalb von 0,01 mg/kg (durchgeführt 2012).
- Weiters wurde im Jahr 2011 durch das Umweltinstitut Vorarlberg eine Schwerpunktaktion „Übergang von Mineralöl aus Verpackungsmaterialien“ durchgeführt. In der aktuellen Untersuchung wurden MOSH (mineral oil saturated hydrocarbons) und MOAH (mineral oil aromatic hydrocarbons) in 40 in Österreich gezogenen Lebensmitteln und 9 Verpackungskartons untersucht. „Übergang von Mineralöl aus Verpackungsmaterialien“
- Bei einer Schwerpunktation 2015 wurden 60 Proben auf Barriereschichten in Recyclinkarton untersucht - wobei zwischen Kartons zum Langzeitgebrauch (Reis, Nudeln, Müsli etc.) und Kurzzeitverwendung (Sandwich, Fast Food, Torten, Pizza etc.) unterschieden wird. Bei den Produkten, die mit Recycling-Karton verpackt und für eine lange Aufbewahrung (z.B. Kakao, Reis, Nudeln etc.) vorgesehen waren, wurde die Anforderung einer wirksamen Barriere noch nicht durchgängig erfüllt. Mehr Informationen: Recycling-Kartons.
Vermeidungsstrategie der CODEX Kommission
Von der Unterkommission „Gebrauchsgegenstände“ der österreichischen Codex-Kommission wurde bereits 2012 unter GZ: BMG-75210/0018-II/B/13/2012 eine Empfehlung zur Verwendung von Recyclingkarton veröffentlicht.
In dieser wird ausgeführt, dass bei der Verwendung von Recyclingkarton zur Lebensmittelverpackung mit der Migration zahlreicher, auch toxikologisch nicht bewerteter Stoffe zu rechnen ist. Dies nicht zuletzt auch deshalb, da das Rohmaterial für die Herstellung des Recyclingkartons nicht den Anforderungen für die Verwendung als Lebensmittelverpackung entspricht. Auch die Verwendung von Druckfarben kann zur Migration unerwünschter Stoffe beitragen. Bei ungeschützt in Recyclingkartons verpackten Lebensmitteln kann der Unternehmer nicht davon ausgehen, dass diese Anforderungen erfüllt werden. Werden Lebensmittel in Recyclingkarton verpackt, ist daher durch geeignete Maßnahmen wie etwa Barrieren oder zusätzliche Innenverpackungen sicherzustellen, dass die Stoffmigration aus dem Recyclingkarton den Anforderungen des Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 entspricht.